Cover: Der unvergessene Mantel 9783551555946

Der unvergessene Mantel

Frank Cottrell Boyce (Text),
Salah Naoura (Übersetzung),
Carl Hunter (Fotografie),
Clare Heney (Fotografie)


Carlsen Verlag
ISBN: 978-3-551-55594-6
11,90 € (D)
Originalsprache: Englisch
Preisträger 2013, Kategorie: Kinderbuch
Ab 10 Jahren
Preisträger Kinderbuch

Jurybegründung

„Irgendwo da unten lag Xanadu, verborgen wie ein Schatz.“ (S. 21)
 
In diesem Roman wird das Thema einer Kinderfreundschaft über kulturelle Hindernisse hinweg auf sehr überzeugende und kinderliterarisch ungewöhnliche Weise erzählt. Wiedergefundene Polaroid-Fotos lösen die Erinnerung der inzwischen erwachsenen Erzählerin aus: Die Fotos hat Dschingis, der die Erzählerin damals zu seiner „guten...
Ratgeberin“ erklärte, aufgenommen. Sie geben vor, die ferne Heimat Mongolei zu zeigen, sind aber nichts weiter als geschickte Verfremdungen der Welt, in der die Kinder jetzt leben.
So thematisiert der Roman zugleich die Brüchigkeit von Erinnerungen und die Künstlichkeit kultureller Identitäten. Zumindest innerhalb der Binnenerzählung gibt es kein Happy End. Der exotische Zauber, mit dem der fremde Junge sich selbst und seinen kleinen Bruder umgibt, schützt sie nicht vor der harten Realität der Abschiebung. In dem Moment, in dem das Mädchen das Gespinst zu durchschauen beginnt, verliert es die beiden Jungen.
Dass es ihnen trotz allem ein „guter Ratgeber“ gewesen ist, erfahren wir in der Rahmenhandlung: die kindlichen Helden der Freundschaftsgeschichte treten als Erwachsene in E-Mail-Verbindung. Eine dritte Ebene macht das Nachwort auf, in dem der Autor von dem realen Vorfall berichtet, der ihn zum Schreiben der Geschichte veranlasst hat.
Wir verdanken Frank Cottrell Boyce drei Kinderromane voll skurrilem Humor, alle drei mit kindlichen Ich-Erzählern, die, wie die Helden eines Bühnenschwanks, permanent in peinliche Verstrickungen geraten und dennoch unglaublich liebenswert sind.
In Der unvergessene Mantel überrascht der Autor mit einer ganz anderen Perspektivierung. Eine erwachsene Ich-Erzählerin erinnert sich an lange zurück liegende Ereignisse ihrer Kindheit, deren Dramatik eben darin liegt, dass sie sie damals so lange nicht verstand. Dem erlebenden Ich geht es also ähnlich, wie den kindlichen Ich-Erzählern der drei älteren ins Deutsche übersetzten Romane von Boyce. Allerdings zielt die Konstellation nicht (jedenfalls nicht in erster Linie) auf komische Wirkungen ab. Weil das erzählende Ich sein situationsüberschreitendes Wissen nicht preisgibt, sondern stets aus dem begrenzten Horizont des erlebenden Ich erzählt, ist der Leser zunächst ebenso wenig imstande, Dschingis’ Inszenierungen zu durchschauen, wie die Zwölfjährige, aus deren Sicht sie geschildert werden. Zum Gelingen der Illusion wie auch der Desillusionierung tragen die Fotografien von Carl Hunter und Clare Heney maßgeblich bei.
Auf diese Weise entsteht eine außergewöhnliche Erzählung über die Macht der Kunst und ihre Grenzen, die nebenbei unter Beweis stellt, dass es auch heute noch möglich ist, Kindern jenseits wohlfeiler Klischees, von den Chancen und Schwierigkeiten des interkulturellen Verstehens zu erzählen.
„Irgendwo da unten lag Xanadu, verborgen wie ein Schatz.“ (S. 21)
 
In diesem Roman wird das Thema einer Kinderfreundschaft über kulturelle Hindernisse hinweg auf sehr überzeugende und kinderliterarisch ungewöhnliche Weise erzählt. Wiedergefundene Polaroid-Fotos lösen die Erinnerung der inzwischen erwachsenen Erzählerin aus: Die Fotos hat Dschingis, der die Erzählerin damals zu seiner „guten Ratgeberin“ erklärte, aufgenommen. Sie geben vor, die ferne Heimat Mongolei zu zeigen, sind aber nichts weiter als geschickte Verfremdungen der Welt, in der die Kinder jetzt leben.
So thematisiert der Roman zugleich die Brüchigkeit von Erinnerungen und die Künstlichkeit kultureller Identitäten. Zumindest innerhalb der Binnenerzählung gibt es kein Happy End. Der exotische Zauber, mit dem der fremde Junge sich selbst und seinen kleinen Bruder umgibt, schützt sie nicht vor der harten Realität der Abschiebung. In dem Moment, in dem das Mädchen das Gespinst zu durchschauen beginnt, verliert es die beiden Jungen.
Dass es ihnen trotz allem ein „guter Ratgeber“ gewesen ist, erfahren wir in der Rahmenhandlung: die kindlichen Helden der Freundschaftsgeschichte treten als Erwachsene in E-Mail-Verbindung. Eine dritte Ebene macht das Nachwort auf, in dem der Autor von dem realen Vorfall berichtet, der ihn zum Schreiben der Geschichte veranlasst hat.
Wir verdanken Frank Cottrell Boyce drei Kinderromane voll skurrilem Humor, alle drei mit kindlichen Ich-Erzählern, die, wie die Helden eines Bühnenschwanks, permanent in peinliche Verstrickungen geraten und dennoch unglaublich liebenswert sind.
In Der unvergessene Mantel überrascht der Autor mit einer ganz anderen Perspektivierung. Eine erwachsene Ich-Erzählerin erinnert sich an lange zurück liegende Ereignisse ihrer Kindheit, deren Dramatik eben darin liegt, dass sie sie damals so lange nicht verstand. Dem erlebenden Ich geht es also ähnlich, wie den kindlichen Ich-Erzählern der drei älteren ins Deutsche übersetzten Romane von Boyce. Allerdings zielt die Konstellation nicht (jedenfalls nicht in erster Linie) auf komische Wirkungen ab. Weil das erzählende Ich sein situationsüberschreitendes Wissen nicht preisgibt, sondern stets aus dem begrenzten Horizont des erlebenden Ich erzählt, ist der Leser zunächst ebenso wenig imstande, Dschingis’ Inszenierungen zu durchschauen, wie die Zwölfjährige, aus deren Sicht sie geschildert werden. Zum Gelingen der Illusion wie auch der Desillusionierung tragen die Fotografien von Carl Hunter und Clare Heney maßgeblich bei.
Auf diese Weise entsteht eine außergewöhnliche Erzählung über die Macht der Kunst und ihre Grenzen, die nebenbei unter Beweis stellt, dass es auch heute noch möglich ist, Kindern jenseits wohlfeiler Klischees, von den Chancen und Schwierigkeiten des interkulturellen Verstehens zu erzählen.
MEHR

Personen

Text
1961 geboren, arbeitete als Literaturkritiker bevor er sich dem Schreiben von Romanen und Drehbüchern widmete. Er lebt mit seiner Frau und sieben Kindern in Liverpool/England.
Übersetzung

geboren 1964, studierte Deutsch und Schwedisch in Berlin und Stockholm/Schweden. Seit 1995 ist er freier Übersetzer und Autor.

Fotografie
ist Regisseur und spielt E-Bass in der Liverpooler Band „The Farm“. Er lehrt an der Edge Hill University im Fach Medien.
Fotografie
ist Regisseurin, Fotografin und arbeitet als Dozentin im Fach Medien an der Edge Hill University im Nordwesten Englands.
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